Vom Sinn des Lebens
Erkenntnisse am Wegesrand
Auf wunderbar entspannten Spaziergängen mit meinem Mann lasse ich gerne mein Leben und die letzten vergangenen Stunden, Tage, Wochen oder auch Monate Revue passieren.
So auch an einem lauwarmen Sonntagabend im Mai 2023, von dem rötlichen Licht der Dämmerung und von einem angenehm frischen Wind begleitet.
Auf unserem Spaziergang landeten wir im Gespräch bei der Frage: "Worum geht es uns in diesem Leben?". Mit anderen Worten: "Was ist der Sinn unseres Lebens" für jeden von uns? Das ist wohl eine zutiefst individuelle Frage, die jeder Mensch nur für sich beantworten kann.
Mein Mann überraschte mich mit einer Einfachheit und Zartheit in seiner Antwort, die ganz direkt mein Herz berührten. "Es geht mir im Leben darum, einfach das Leben wie es ist zu leben und mich genau dabei selbst zu erfahren, mich zu entdecken, mich dabei immer besser zu verstehen und kennenzulernen. Ich möchte nicht mein Leben lang nach etwas Bestimmten suchen oder irgendein Ziel erreichen, sondern immer mal wieder anhalten und die Bedeutung der Dinge, die ich gerade erlebe, für mich persönlich verstehen."
Ich war überrascht und berührt von dieser Antwort. Mein Mann und ich sind seit dem Beginn unserer Beziehung auf unseren Lebenswegen immer mal wieder näher oder auch entfernter voneinander unterwegs. Zeitweise fühlte ich eine große, fast unüberwindbare Distanz zwischen uns. Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich mich tief in Themen vom Sinn des Lebens stürzte und mit der Komplexität dieser Frage allein auf weiter Flur stand, während mein Mann sich eher schulterzuckend und etwas genervt von dieser anstrengenden Frage dem Job und seinen Hobbies zuwandte.
Die Antwort auf unserem Spaziergang ließ mich mit einem Mal spüren, dass mein Mann im aktuellen Lebensmoment voll und ganz neben mir stand, am gleichen Erkenntnis-Aussichtspunkt wie ich.
Die Vorstellung, mein Leben - oder in etwas kleiner - viele alltägliche Momente eines einzelnen Tages mit etwas zu verbringen, das wenig oder keine Bedeutung für mich hat, versetzt mich sofort mit Traurigkeit und so etwas wie Hoffnungslosigkeit.
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Meine Erkenntnis vom Sinn des Lebens
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Ich mag die Bedeutung meiner Handlungen, meiner Routinen, meiner Wünsche und Sehnsüchte für mein Leben und meinen Lebensweg erkennen. Denn das verleiht den vielen kleinen Lebensmomenten aus denen mein Leben besteht, vom Sonnenaufgang Beobachten über eine Konzeptarbeit in meinem Job bis hin zum millionsten Mal Wäsche Zusammenlegen, einen Sinn. Diesen Sinn in meinen Handlungen und meiner Art zu leben zu erkennen, erfüllt mich mit einem tiefen Gefühl von Zufriedenheit, Stimmigkeit und Dankbarkeit. Das ist für mich ein großes, wenn nicht vielleicht sogar DAS Glück meines Lebens.
Das würde ich als Sinn meines Lebens bezeichnen: Ein "ganz normales" Leben führen und mich selbst genau dabei mit dem, was für mich wichtig ist und Bedeutung besitzt, immer etwas genauer kennenlernen.
Ein "ganz normales Leben"? Damit meine ich, an all dem teilzuhaben, was Menschsein seit Generationen (u.a.) ausmacht: Teil einer Familie sein, in einigen sehr nahen Beziehungen mit Menschen leben, in einigen entfernteren Verbindungen mit weiteren Menschen stehen, gemeinsam in einer Gruppe Hobbies nachgehen, allein für mich und mit mir selbst sein, Verantwortung und Engagement für Dinge übernehmen, die mir wichtig sind, Neues kennenlernen, Altes erhalten, Unbekanntes wagen, die eigene geistige, körperliche und spirituelle Beweglichkeit auskosten, als Eltern einen kleinen Menschen in diese Welt begleiten, den unterschiedlichsten Herausforderungen des Lebens begegnen, Lösungen finden, Halt geben, Unterstützung erfahren, sich neu erfinden und immer wieder im eigenen, innersten Kern ankommen.
Gar nichts Besonderes also. Kein Ziel in Richtung Weltrettung, Millionär, Urlaub im Paradies, Aussteiger-Dasein, steile Karriere, Macht oder wovon auch immer Menschen sonst so träumen.
Mein Wunsch ist es, in vielen Augenblicken meines alltäglichen Lebens ein Gefühl von Erfüllung spüren zu können. Das genügt mir.
Denn das macht mich frei. Frei von der Idee, diese Erfüllung erst in einem weit entfernt liegenden Ziel zu finden, auf das ich erst Jahre (ohne diese innere Erfüllung) hinarbeiten müsste. Oder schlimmer: mein Leben lang nach etwas zu suchen, das ich nicht greifen kann, in der Hoffnung, dass es mich dann glücklich macht, wenn ich es erst gefunden habe.
Wenn ich in meinem Alltag ein Gefühl von Erfüllung spüren kann, ist alles, was währenddessen so in mein Leben tritt oder mir passiert, einfach ein weiteres Geschenk oder eine zu lösende Aufgabe. Aber die Wellen des Lebens sind keine Bedrohung mehr, keine Quelle der permanenten Sorge, des Zweifels oder Ärgers.
Ich bin schon dort, wo ich sein will, ich muss nirgends mehr hin. Ich kann überall hin gehen, kann alles ausprobieren und angehen, mein Lebensglück hängt davon aber nicht ab.
Das meine ich mit Freiheit.
Mein persönliches Stück Lebensglück.
Erkenntnisse vom Sinn des Lebens - 21.05.2023